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Von Gibraltar bis zum Nordkap im "Papabus"

Marcus Haid reiste im T2 samt Familie vier Monate lang von Gibraltar bis zum Nordkap. Auf den 22.000 Kilometern erlebte die österreichische Familie so einiges.

 ©Marcus Haid

Natürlich hätte Marcus Haid einen modernen Wohnwagen kaufen können. Aber wer braucht schon Luxus, wenn er in einem Automobil gewordenen Antidepressivum verreisen kann?

Das dachte sich Haid – 46 Jahre alt, Beruf Fotograf, Berufung Oldtimer-Fahrer –, als er sich für einen 40 Jahre alten VW-Bulli T2 als Reisemobil entschied: „Das Auto ist ein Phänomen. Jeder Passant, der uns gesehen hat, lächelte.“

Im „Papabus“, wie seine beiden Kinder den 50 PS schwachen Autosenior nennen, reiste die Familie entlang des Atlantiks von Gibraltar ans Nordkap. 22.000 Kilometer, die ihnen beibrachten, was Entschleunigung bedeutet. Gezwungenermaßen, denn der Bulli tuckerte gemächlich mit 80 km/h dahin: „Das war nicht unser einziges Luxus-Eingeständnis. In einer der ersten Nächte hatten wir uns gerade in die Betten des Wagens gelegt, als es angefangen hat zu regnen – was weiter kein Problem gewesen wäre.“ Hätte das Dach des 25.000 Euro teuren Wagens nicht dieses kleine Loch gehabt, das Haid erst auffiel, als sein Gesicht nass wurde: „Kein Drama. Ich habe das Loch mit Silikon gestopft.“

Die Autopannen hingegen verzögerten den 22.000-Kilometer-Trip entlang des Atlantiks etwas. Doch Haid (unten rechts) lernte im Zuge der Reparaturarbeiten so manchen Oldtimer-Mechaniker kennen.

 ©Marcus Haid

Ja, richtig gelesen. Der Innsbrucker hatte auf seiner Reise durch acht Länder neben Zahnbürste und Kleidung auch Werkzeug im Gepäck: „Nicht nur das. Wir haben auch eine Kiste mit Ersatzteilen für unser Auto eingepackt.“ Zu Recht. Denn technische Gebrechen waren an der Tagesordnung: „Schon an Tag zwei des Trips fragte meine Frau, was wir bei einer Panne machen würden. Ich war entspannt und antwortete, dass es wohl keine gäbe.“

Prompt hörte die Familie kurz darauf ein leises „Zing“, das Gaspedal sackte zu Boden und der VW rollte am Pannenstreifen aus. Diagnose: gerissener Gaszug. Detail am Rande: „Es war Freitagnachmittag, die Werkstätten waren geschlossen und Montag war Feiertag.“ Kurzum buchte Haid ein Hotelzimmer und ging fünf Tage später auf die Suche nach einem Mechaniker, der wusste, wie man luftgekühlte Oldtimer-Motoren repariert: „Kein leichtes Unterfangen, weil in Werkstätten meist Mitarbeiter mit Laptop dahersausen und fragen, wo sie den zum Daten-Ablesen anstecken können.“

Im Laufe der viermonatigen Reise machte Haid aus der Not eine Tugend und freundete sich mit so manchem Oldtimer-Mechaniker an. Im Umgang mit Menschen hat der Fotograf Erfahrung. Schließlich verbrachte er elf Jahre seines Lebens auf Reisen – von Irland über Australien bis Japan: „Während dieser Trips stand immer die Fotografie im Fokus. Da war es normal, dass ich um vier Uhr nachts mit Taschenlampe und 30-Kilo-Kameraausrüstung gewappnet auf einen Berg gewandert bin, um von dort das optimale Sonnenaufgangsbild zu schießen.“

Der wenige Platz im Bulli störte Marcus Haids Frau und seinen damals viermonatigen Sohn nicht.

 ©Marcus Haid

Nach der Geburt seines ersten Kindes war klar, dass sich Haids Reiseverhalten ändern würde: „Darum haben wir uns für diesen Trip entschieden, während dem wir uns der Frage widmeten, was die Essenz des ,Unterwegs-Seins‘ ist.“ Die Antwort lautete Erinnerungen fern monotoner TV-Abende zu sammeln und als Familie zusammenzuwachsen.

Ziele, die Haid erreicht hat: „Darum würde ich auch anderen so einen Entschleunigungs-Urlaub empfehlen. Trotz des wenigen Raums im Bulli und des langsamen Tempos.“ Und trotz der vielen Pannen, versteht sich. Denn über seine „Ikone der Automobilgeschichte“ lässt Haid nichts kommen.

 

Über die Reise ist im Knesebeck-Verlag ein Buch namens "Immer links der Atlantik - Mit dem Bulli von Gibraltar ans Nordkap" erschienen.

Zur Homepage von Marcus Haid geht es hier.

Judith Sam