The Who: 50. Die offizielle Bandgeschichte
Hannover, Oktober 2007: Volkswagen lädt die Bulli-Szene in die Stadt an der Leine ein. Und die Szene kommt. Doch nicht nur die – sondern auch jene Band, die den Soundtrack zum liebenswerten Lastesel des Wirtschaftswunders schrieb. Dass „The Who“ einst als Instrumentenmörder verschrien war – geschenkt! Denn die Radau-Combo, schon in Woodstock mit dabei, schrieb Musikgeschichte. Und sie verkörpert wie kaum eine andere den Geist der 60er- und 70er-Jahre, den Geist jener Zeit, in der auch der „Mythos Bulli“ auf Kiel gelegt wurde.
Inzwischen wird „The Who“ 50 – und auch der Song, mit dem sie eine ganze Generation in Verse zu verpacken vermochten, hat inzwischen ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel. Doch genau mit diesem Song, mit diesem wilden, roh und unbehauen wirkenden „My Generation“ gelang The Who zugleich die Hymne der jungen Nachkriegsgeneration wie auch der Durchbruch. Am 3. Dezember 1965 erschien das gleichnamige Album. Grund genug für die erste, offizielle, illustrierte Bandgeschichte, die in Zusammenarbeit mit Pete Townshend und Roger Daltrey entstand, den beiden letzten verbliebenen Mitgliedern der Originalbesetzung.
Sie alleine vermögen noch zu erzählen, wie das war, damals in den Tagen der Mods, in den Zeiten, da sich die Boulevard-Blätter überschlugen mit Schlagzeilen zur Schlägerei in Brigthon oder der Zerstörungswut einer britischen Band, die in schöner Regelmäßigkeit E-Gitarren, Lautsprechertürme – das phonetische Wettrüsten war ebenfalls bei Pete, Roger & Co. entstanden – oder Schlagzeuge in Stücke zertrümmerte.
Das hatte bei Pete Townshend einen philosophischen, einen künstlerischen Anspruch. Bei Keith Moon hingegen waren die Grenzen fließender: Für den „Hofnarren“ der Band, der eine kindische Freude an der Maskerade und am Herumalbern hatte, war alles eine Trommel, sofern man mit einem Stock draufhauen konnte. Das Genie am Schlagzeug starb 1978 an einem Medikament, das ihn von seiner Alkoholsucht kurieren sollte. Welch Ironie …
Solche und zahlreiche andere Kapitel und Anekdoten, und zudem unzählige bisher unpublizierte Bilder aus den Privatarchiven, finden sich im opulent bebilderten „KultBAND“ zur „KultBÄND“ – um es mal lautmalerisch in Szene zu setzen. Und natürlich geht es auf den 320 Seiten auch um musikalische Brecher wie „My Generation“, „I’m a Boy“, „The Kids Are Alright“, „Pinball Wizard“ und um „Magic Bus“: Wer sich an den grandiosen Auftritt der Band im Oktober 2007 in Hannover erinnert, der wird wissen, warum es dem Autor dieser Zeilen gerade den Beat ins Gedächtnis drückt …
Der mit 40 Euro nicht ganz billige Band berichtet natürlich auch von den heftigen Drogen- und Punk-Rock-Jahren der Band, die sich nach dem Tod von John Entwistle und eben Keith Moon bis in die heutige Zeit immer wieder aufgerappelt hat – und noch immer die großen Hallen zu füllen vermag. Wer wissen will, warum dies so ist, der sollte mal in der offiziellen Bandgeschichte, für Fans ohnedies ein Muss, blättern.
Dann erschließt sich auch, warum die Bulli-Gemeinde an jenem Samstag in Hannover so aus dem Häuschen war …
Ben Marshall: The Who: 50. Die offizielle Bandgeschichte. Mit Texten von Pete Townshend und Roger Daltrey. 320 Seiten mit ca. 500 Abbildungen, davon 300 in Farbe, gebunden mit Schutzumschlag, 25 x 27,9 cm, ISBN: 978-3-7913-8187-9, 39,95 Euro.