Zurück

Orangetrotter: Planlos durch Marokko

Mit ihrem T3 erkunden Helga Negele und Jürgen Dommer Marokko. Ganz bewusst haben sie keine feste Route, keinen Zeitplan, keine Orte, die sie unbedingt sehen "müssen". Und auf diese Weise durften sie im zweiten Teil ihrer Reise ganz besondere Dinge erleben.

 ©Helga Negele und Jürgen Dommer

Hallo Bulli-Freunde!

Wir sind uns einig. Zumindest, was das Thema Reisevorbereitung betrifft. Immer wieder stellen wir fest, dass eine detaillierte Tourplanung nicht unser Ding ist: Festgesetzte Route, Highlights abgrasen, Zeitpläne einhalten. Das alles sind Dinge, die keinen Platz lassen zum Entdecken und "passieren lassen". Kein Raum um überrascht zu werden was hinter der nächsten Kurve auftaucht.

Einer der vielen traumhaften Übernachtungsplätze. ©Helga Negele und Jürgen Dommer

Das ist auch der Grund, warum wir jetzt, entgegen der ursprünglichen Idee, nicht den hohen Atlas durchqueren, sondern uns weiter Richtung Süden bewegen.  Den südlichen Teil hatten wir eigentlich nicht wirklich auf dem Plan. Außerdem wartet dort jemand auf ein paar Ersatzteile die wir an Bord haben. Praktisch, dann müssen uns die Empfänger nicht entgegen fahren.

Vom Erg Chebbi aus geht es zunächst auf Teerstraße nahe der algerischen Grenze, Richtung Zagora. Stets begleitet durch die fossilienhaltige Felsenbarriere im Osten.

Nahe dieser Wand schlagen wir auch unser freies Nachtlager auf. Die Straße verläuft in westlicher Richtung und die tiefstehende Abendsonne macht eine Weiterfahrt fast unmöglich, ein Blindflug.

Geologie live. ©Helga Negele und Jürgen Dommer

Tags darauf wechselt bei einem Abzweig hinter Tata der Belag von Teer zu Piste. 90 Km Schotter erwartet uns bis kurz vor Tafraoute, dachten wir.

Also Luft aus den Reifen für besseren Fahrkomfort und damit der Orangetrotter nicht zu viel harte Schläge einstecken muss.

Und das funktioniert prächtig. Mit 2 -2,5 bar und bei einer Geschwindigkeit zwischen 50-70 km/h gleitet er smooth über die Steinpiste.

Es geht über einen wunderbaren Pass. An den typischen Felsformationen kann man förmlich die geologische Geschichte dieser Gegend ablesen.

Oase bei Tafaroute.

Leider ist nach 50 Kilometer Schotter schon Schluss und wir rollen wieder auf Teer. Zwar angenehmer aber es fühlt sich halt weniger abenteuerlich an ;-)

Die Strecke selbst bleibt interessant und auch hier schlagen wir noch ein wildes Nachtlager mit „klasse Blick“ auf.

Bevor wir Tafraoute erreichen, fahren wir noch in ein enges Tal ein, wundern uns noch kurz über ein LKW-Verbotsschild (die sind nicht gerade häufig). Was wir zu dem Zeitpunkt nicht wussten: Wir werden eine der schönsten Ortsdurchfahrten erleben, die wir je in unserer Reisegeschichte hatten. Besser gesagt handelte es sich um eine Oase.

Frühmorgens, bei bestem Licht, genießen wir den blühenden Palmengarten in vollen Zügen. Die Menschen bereiten sich auf ihren Arbeitstag vor, grüßen uns freundlich und wir haben den Eindruck, dass wir die ersten Touristen sind, die diesen wunderbaren Flecken Erde entdecken. Was natürlich nicht so ist, wie sich später rausstellt. Aber genau das sind diese Überraschungsmomente von denen ich Eingangs geschrieben habe. Es ist schwer zu beschreiben wie sich das anfühlt, wenn man tagelang nur karge Steinwüste durchquert, und sich plötzlich in einer blühenden Palmenoase wiederfindet.

Essaouira. ©Helga Negele und Jürgen Dommer

Marc und Doro erwarten uns bereits in Tafraoute und führen uns zu ihrem Lieblingsübernachtungsplatz in der Nähe der Painted Rocks. Die beiden Weltenbummler waren bisher in ihrem Landy unterwegs. Seit kurzem erkunden sie die Welt in einem mächtigen Steyr-Truck mit Vollausstattung. Wir genießen zwei relaxte Tage mit den beiden in dieser einzigartigen Umgebung, lauschen ihren Erlebnissen, tauschen uns und ein paar Ersatzteile aus.

Wir folgen dem Tipp von Marc und Doro, uns Essaouira an der Atlantikküste anzusehen. Und das war gut.

Der Souk in der Medina ist sehenswert.

Die Lichtstimmung am Fischerhafen schafft ein ganz besonderes Flair. Der Atlantik, wild wie immer.

Leibspeise der Ziegen: Argannüsse, hoch im Baum. ©Helga Negele und Jürgen Dommer

Helgas Wunsch geht auch noch in Erfüllung: Endlich entdecken wir auch die Ziegen, die in dieser Gegend hoch in den Arganbäumen weiden.

Es wird Zeit für den Hohen Atlas. Auf dem Weg liegt Marrakesch. Ein Muss? Nein, nicht wirklich. Vielleicht lag es am Wetter, das inzwischen umgeschlagen hat. Es ist kalt geworden. Der Himmel zieht kurz auf-wir erspähen einen Blick in den Atlas und sehen – Schnee - und zwar jede Menge.

Auf dem Hauptplatz in Marrakesch ist wenig los. Die Einheimischen lauschen ein paar Geschichtenerzählern.

Europäische Touristen sind kaum auszumachen. Umso mehr stürzen sich die Animateure der Fressstände auf uns, die ab der Dämmerung ihre Buden öffnen. Anstrengend - wir beschließen bald weiter zu ziehen.

Ziel ist das Camp Zebra bei Ouzoud.

Ganz in der der Nähe befinden sich die berühmten „Cascades d'Ouzoud“. Das Wasser stürzt hier bis zu 110 Meter zwischen den Feigenbäumen in die Tiefe - sehenswert.

Auch hier ist noch keine Saison. Die meisten Verkaufsbuden und Restaurants entlang des Fußweges sind noch geschlossen und wir bleiben vollkommen unbehelligt von den Händlern.

Das Camp Zebra selbst ist liebevoll und gemütlich ausgestattet und eines der wenigen, bei denen die Bezeichnung Campingplatz gerechtfertigt ist. Die Besitzer Renate und Paul aus Holland kennen die Gegend natürlich super und raten uns aufgrund der Neuschnee-Fälle von unserer geplanten Tour,  vorbei an der „Catedral de Roche“ dem Felsendom im Hochatlas ab. Die Tour führt vorwiegend auf enger Piste, 170km in den Atlas und erreicht den höchsten Punkt bei knapp 2800 Höhenmetern.

Wir wollen den Plan nicht so schnell aufgeben und entscheiden die Tour von Süden anzufahren. Somit könnten wir den höchsten Punkt schnell erreichen, sehen was schneelagenmäßig los ist und dementsprechend über die Weiterfahrt entscheiden. Aber soweit kommt es erst gar nicht. Denn die Route, die wir eigentlich nur für die schnelle Querung zum Startpunkt ausgewählt haben, gibt uns bereits alles was wir uns vom Hohen Atlas erwartet haben.

Offroadfeeling, Abgeschiedenheit, grandiose Ausblicke, ursprüngliche, untouristische Einblicke in das Leben der Bergbevölkerung. Und Letzteres ist hart -s ehr hart. Meist ohne fließend Wasser, ohne Elektrizität mit einfachster Kleidung, trotzen die Menschen hier auch im Winter den unwirtlichen Bedingungen.

Besonders die Frauen beeindrucken uns damit,wie hart sie im Nehmen sind.

Oft werden die Zweige für das Ziegenfutter mit den Eseln nachhause transportiert. Aber geerntet wird es von den Frauen, in Steilhängen, in denen ich nicht einmal stehen könnte. Sie schnallen sich die Ernte dann auf den Rücken und kraxeln den Steilhang hoch. Haben Sie keine Esel, bringen sie das kostbare Futter selbst ein - oft im Laufschritt - So viel dass man erst spät erkennt, wer unter der Ladung steckt. Mensch oder Tier.

Die Passage durch ein Dorf, in dem gerade Souk gehalten wird, macht uns happy, denn die Gopro-Kamera läuft unauffällig hinter der Windschutzscheibe. Unverstelltes Leben in Hohen Atlas. Hier gleich im Video zu sehen:

Treibgut nach Sturm. ©Helga Negele und Jürgen Dommer

Man erfährt wenig über die Mittelmeerküste Marokkos. Also entscheiden wir für die Rückfahrt nach Tanger, von wo unsere Fähre ablegen wird, uns selbst ein Bild von dieser Ecke zu machen.

Wir stechen gerade hoch, überqueren das Riffgebirge und erreichen windgeschüttelt die Küste bei Cala Iris.

Das Mittelmeer tobt, ist aufgepeitscht. Gemütlich ist anders! Wir fahren die inzwischen gut ausgebaute Küstenstraße entlang, die aber selten auf Meereshöhe verläuft. Es ist diesig – sicher sind die Ausblicke bei klarer Witterung entlang der Steilküste prächtig anzuschauen.

Wir können das nur erahnen.

Bei Martil sehen wir dann das ganze Ausmaß des Wettersturzes. Hier hat es den kompletten Stadtstrand in die Stadt geblasen. Unmengen an Treibgut liegen am Strand. Die Aufräumarbeiten werden sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen. 

 ©Helga Negele und Jürgen Dommer

Aber die Menschen, die wir darauf ansprechen, sind glücklich.

Marokko hat seit November 2015 keine nennenswerte Niederschläge mehr gehabt. Jetzt ist das lebensnotwendige Wasser endlich gekommen.

Vieles davon landet als braune, erdhaltige Brühe im Mittelmeer, ohne dass es die Böden so schnell aufnehmen könnten.

Bis zu einem halben Meter hoch türmt sich der Sand in der Stadt. ©Helga Negele und Jürgen Dommer

Hier noch einen Tipp: In der Nähe liegt Tetouan. Auch dort gibt es eine Medina. Unserer Meinung nach sehr sehenswert, da relativ untouristisch. Auf dem Souk werden kuriose Dinge des täglichen Lebens angeboten, zum Beispiel ein einzelner Schuh, Videokassetten ohne Band, eine Mikrowelle als Vogelhaus…

Unsere Reise ist zu Ende, viel zu früh! Wir haben einen kleinen Eindruck von Marokko erhalten. Viele Fragen bleiben offen, viele Gebiete sind noch nicht erkundet. Aber eines können wir jetzt schon. Die Begeisterung teilen, mit all denen, die schon lange von der Vielseitigkeit Marokkos schwärmen.

Und, es ist leicht in Marokko zu Reisen - sehr leicht. Die Menschen sind unproblematisch, immer freundlich und zuvorkommend, gerade abseits der ausgetretenen Pfade. So haben wir das empfunden. Obwohl das Leben und Überleben in diesem Land sicher nicht gerade einfach ist.

Marokko gilt als eines der fortschrittlichsten, und öffnungswilligsten islamischen Länder. Eines jener Länder, die vom „arabischen Frühling“ so wie es aussieht, etwas mehr in den Alltag hinüber retten konnten als zum Beispiel Tunesien. Bleibt zu wünschen, dass dieser Weg beibehalten wird und auch die Chancen  der „Jungen“ sich „etwas“ aufzubauen, zahlreicher werden.

Und auch hier sagen wir: Wir kommen wieder, ganz sicher!

Bis Bald und nur das Beste auf allen Wegen, wünschen Euch die Orangetrotter,

Helga & Jürgen

Helga Negele und Jürgen Dommer