Der Kinderwunsch-Bulli
Der T5 ist in neutralem Hellgrau lackiert. Würde er einfach so am Straßenrand parken, fiele er gar nicht auf, - einer von Zigtausend VW-Transportern, die Tag und Nacht unterwegs sind, um Lasten und Frachten ans Ziel zu bringen. Doch dieser Bulli hat es buchstäblich in sich: Er hilft, zumindest indirekt, beim Kinderkriegen.
Einmal im Monat hält er vor dem „Kinderwunschzentrum“ in Ludwigsburg. Dann öffnet der Fahrer die Hecktüren, hinter der, mit breiten Bändern in den serienmäßigen Ösen arretiert, ein gewaltiger Edelstahltank zu sehen ist. Einige Ventile und Armaturen scheinen von Schnee und Eis umhüllt: Kondenswasser, zu Eiskristallen erstarrt.
Jetzt heißt es für den Gefahrgut-Transporteur mit großer Sorgfalt zu arbeiten. Er koppelt einen kleineren Stahltank, der die Größe eines Barrique-Fasses aufweist und rundherum gut isoliert ist, an einen drei Meter langen Metallschlauch. Dann dreht er mit Isolierhandschuhen die Ventile auf.
Nahezu eine halbe Stunde dauert es, bis der kleine Transporttank wieder gefüllt ist mit flüssigem Stickstoff, der mit -197 Grad Celsius durch den Schlauch strömt. Dabei entweicht natürlich Überdruck in die Atmosphäre mit einem lauten, zischenden Geräusch.
Diese extrem coole Technik hilft Menschen, die sich Kinder wünschen, die schützende Umgebung für die Aufbewahrung von Samenzellen darzustellen. Denn Spermien – egal ob vom Mensch oder von Zuchttieren - überleben trotz der Kälte (kyrokonserviert) etliche Jahre lang und verlieren keineswegs an Qualität.
„Durch die gesamte Menschheitsgeschichte zieht sich die Problematik, aber auch Dramatik des unerfüllten Kinderwunsches. Auch in der heutigen Zeit bleiben 10 bis 15 % der Paare ungewollt kinderlos. Die meisten Paare haben mit mehr oder minder schweren psychologischen, familiären und sozialen Problemen zu kämpfen. In zunehmendem Maße suchen die Betroffenen Hilfe durch reproduktionsmedizinische Maßnahmen.“ – so informiert das Zentrum für Reproduktionsmedizin Jena im Internet.
Auf seine bescheidene Weise trägt auch der Bulli, ein T5 mit Hochdach und Sechszylinder-TDI-Motor, den wir bei seinem Einsatz fotografiert haben, dazu bei, Wünsche zu erfüllen.
Nicht zuletzt durch die aus den USA nach Europa übergeschwappte Diskussion um das sogenannte und politisch umstrittene "social freecing" hat das Thema Reproduktionsmedizin auch hierzulande einen neuen Stellenwert bekommen.