Zurück

Buchtipp: VW Bulli - Vom Lastesel bis zum "Idebutz"

"Och nö, nicht schon wieder ein Bulli-Buch, das nur die Geschichte noch einmal erzählt!" Warum dies für das neue Buch "VW Bulli: Das Beste von Samba, California und Co." nicht gilt, erklärt Heiko P. Wacker in seiner Rezension.

Cover des neuen Buchs.

 ©Motorbuch Verlag Stuttgart

Hallo Bullifreunde!

Seit bald einem dreiviertel Jahrhundert bereichert er unsere Straßen, "unser" Bulli. Anfangs als Lastesel der Wirtschaftswunderjahre, später als Alltagsfluchtauto in den buntblumigen 1960er-Jahren, und heute als mitunter komplett auf Elektro definierter Retro-Hingucker. Und die nächste Generation steht in den Startlöchern, Anfang kommenden Jahres werden wir die ersten in Kooperation mit Ford gebauten Exemplare sehen. Irre, wie sich der Hannoveraner so zu wandeln vermochte und -mag!

Kenner der Materie werden nun natürlich sofort anmerken, dass die ersten Bullis noch in Wolfsburg vom Band liefen, erst 1956 begann die Fertigung in Hannover. Die Kapazitäten in Wolfsburg waren schlicht an die Grenzen geraten, wobei die frühen Exemplare natürlich ganz besonderen Kultstatus genießen, und entsprechend findet sich auch im Buch von Joachim M. Köstnick und Georg Otto ein "Barndoor", die große Motorklappe gab dem ersten Bus einen scheunentorigen Beinamen. Und natürlich findet sich im Buch auch ein solch früher Vertreter, als Samba gar, man kennt den Wagen von Familie James, ihr Kennzeichen "13US" ließt sich als "BUS", alleine das Kennzeichen wäre einen fünfstelligen Betrag wert. In Pfund, wohlgemerkt. Doch nicht die Superlative bestimmen das Buch "VW Bulli: Das Beste von Samba, California und Co.". Nein, es ist vielmehr die unfassbare Vielfalt des Volkswagen Transporters.

Natürlich könnte man nun einwenden: "Och nö, nicht schon wieder ein Bulli-Buch, das nur die Geschichte noch einmal erzählt". Allerdings haben wir mit dem vorliegenden Exemplar aus zwei Gründen einen durchaus lesenswerten Neuzugang vor uns liegen. Zum einen umfasst dieser alle Generationen des VW Busses vom T1 bis zum T6.1, es behandelt jedoch auch den Multivan, der 2021 kam, und es behandelt den ID. Buzz, der seit 2022 über die Straßen flüstert. Zudem präsentieren die beiden Autoren auch die Wohnmobile auf VW-Basis, und sie lassen diverse Aus- und Aufbauer von Campingfahrzeugen in kurzen Steckbriefen zur Sprache kommen. Und schließlich, und das rundet das Buch nun wirklich ab, wird ein kleiner Einblick in die bunte Bulli-Szene gewährt. Und wie bunt die ist, das zeigen die hier vorgestellten Exemplare vom besagten 1954er-Samba über den T2a Kombi, den T3 Syncro, den T4 California bis hin zum aktuellen Wave Camper T6.1.

Zunächst aber geht es chronologisch zu, es werden die verschiedenen Generationen beleuchtet. Natürlich kommen hierbei auch gute Bekannte zur Sprache, wie die liebenswerte "Sophie" beispielsweise. Der taubenblaue Kastenwagen lief am 5. August 1950 vom Band, er gehört heute der Sammlung von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover, wie auch der kürzlich restaurierte "Raupenfuchs". Dann geht’s weiter mit dem T2, hier kommt erstmals der Allradantrieb zum Einsatz, wenn auch ohne Auftrag und nicht in der Serienfertigung, dann der kantige T3, der geliebte Ziegelstein wurde auch in Südafrika hergestellt, auch das ist einen Blick wert. Der T4 schließlich hat den Motor plötzlich vorne, der Heckantrieb ist zunächst Geschichte. Dann der T5 und der eng verwandte T6, und schließlich der T6.1, der in diesen Tagen sein Finale erlebt. Parallel stellte sich der neue Multivan daneben, der gern als formidabler Van und weniger als knackhartes Nutzfahrzeug betrachtet wird, und schließlich der Idebutz, sorry, der ID. Buzz, bei dem der Antrieb wieder hinten sitzt, Spötter behaupten, der Irrweg von T4, T5 und T6 sei hiermit zu Ende.

Spaß beiseite, das Buch gibt einen wirklich breiten Überblick, auch wenn sich der Experte vielleicht an der ein oder anderen Stelle ein wenig mehr Tiefgang gewünscht hätte. So beispielsweise beim T2 zum Thema Typ 4-Motoren, die ja letztlich auch noch die frühen T3 antrieben. Schön ist hier indes der Blick auf die extravaganten Antriebsvarianten mit Elektro, es gab ja auch Versuchsfahrzeuge mit Batteriewechselsystemen beim T2.

Apropos T3: Die ganz frühen Exemplare erkennt man noch heute an ihrem in Blech ausgeführten Lüftungsgitter an der D-Säule, schon bald wurde hier mit Kunststoff gearbeitet. Das "Blechrohr" ist ein stehender Begriff in der Szene, im Buch indes fehlt es.

Dafür lassen zahlreiche Presse- und Prospektfotos die jeweilige Zeit noch einmal auferstehen: Herrlich, diese Bilder zum roten Tristar von 1988! Überhaupt, die Bilder! Das Buch platzt mit seinen 550 Abbildungen auf den gut 200 Seiten schier – und das zu einem wirklich sehr akzeptablen Preis von knapp 19 Euro. Da kann man es gut verschmerzen, dass auf den letzten 50 Seiten zu den wunderbaren Exponaten aus der Szene keine Seitenzahlen mehr abgedruckt sind.

Was solls! Das Buch ist dennoch gelungen, weil es vor allem Einsteigern in dieses herrliche Hobby zu einem schmalen Salär die nötigen Infos liefert – und zu verstehen hilft, warum wir unseren Bulli so sehr lieben! Und dabei ist letztlich völlig egal, ob der Motor nun vorne sitzt, oder hinten.


Joachim M. Köstnick, Georg Otto: VW Bulli. Das beste von Samba, California und Co. Motorbuch Verlag Stuttgart, 223 Seiten, 550 Bilder, Format 21 x 28 cm, gebunden, ISBN 978-3-613-04580-4, 18,95 Euro.

Heiko P. Wacker