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Buchtipp: Vom Kiez zum Kap

In gelassener Runde, beim Bier oder beim Wein – da entstehen viele Ideen. Natürlich erleben die meisten das Licht des nächsten Tages nicht, und das mag in manchen Fällen auch ganz gut sein. Es gibt jedoch welche, die sind auch tags darauf noch virulent: fressen sich fest, nagen, quengeln, nörgeln an jenen rum, die sie ausgesponnen haben. Bis schließlich in die Tat umgesetzt wird, was sich beim Bier noch flockig in die Runde hinausposaunen ließ. Und auf einmal steht man mitten im afrikanischen Nirgendwo – und aus dem Heck des T3 raucht es bedenklich … Doch erst einmal der Reihe nach, lassen wir zunächst die Protagonisten zu Wort kommen!

 ©Verlag Delius Klasing

„Ein Donnerstagabend im FC Sankt Pauli-Clubheim, kurz nach dem Training der Achten Herren, unserer Fußballmannschaft. Kay erzählt begeistert von seinem letzten Besuch in Kapstadt bei seiner Schwester. Wir reden uns bei ein paar Bier in Rage und sind uns sicher: Wir müssen sie unbedingt mal zusammen in Südafrika besuchen. Fliegen? Nein, mit dem VW Bulli wäre doch viel lustiger. Abenteuer, Land und Leute locken. Und dann ist da noch diese Fußball-WM. Eine Schnapsidee, die schnell ins Rollen kommt ...“

Klar – es geht von Anfang an nicht so, wie es sein soll. Die Suche nach einem guten, bezahlbaren T3-Syncro ist zäh, während sich der geplante Abfahrtstermin locker um zwei Wochen nach hinten schiebt. Doch schließlich, Mitte Februar, geht es zunächst über die Elbe. Und dann immer weiter nach Süden. Bis es eben nicht mehr geht, am südwestlichsten Punkt des Schwarzen Kontinents.

Bernd Volkens, eigentlich Technikredakteur bei der Auto Bild, erzählt in „Vom Kiez zum Kap“ von der Reise zweier Sankt Pauli-Fans – dicken Gruß übrigens an den Kult-Verein – mit dem kantigen Hannoveraner. Aber eben nicht nur, ist die Fahrt nach Kapstadt und zur Fußball-WM 2010 doch mehr als eine etwas längere Anreise zum Stadion. Es ist auch ein Trip an die eigenen Grenzen, es ist ein Trip, von dem viele reden und noch viel mehr träumen. Den aber die wenigsten wagen. Vielleicht auch, weil so ein Trip ruckzuck zu einer Reise zum eigenen Ich werden kann.

Denn philosophisch wird auch der härteste Pauli-Fan, nachdenklich sowieso. Immerhin sehen Bernd Volkens und Kay Amtenbrink während der Fahrt durchs östliche Afrika – die eigentlich favorisierte Westroute wurde noch kurz vor dem Start aufgrund des gestiegenen Risikos mitsamt aller Vorbereitungen und Visa verworfen – so manches Detail, das den Europäer betroffen macht. Gegrillte Mäuse am Spieß, ein Baby-Pavian, zum Kauf feilgeboten oder frappierende Armut in Staaten wie eben Malawi machen betroffen, werfen die T3-Besatzung immer wieder auf sich selbst zurück. Es ist gut, dass auch solche Momente Eingang ins Buch fanden – und nicht nur die diversen Abende beim Bier, das echte Reisende aber auch einfach brauchen, wenn sie abends irgendwo ankommen. Übrigens sollte man sich hierbei auf keine Diskussion einlassen. Ein Willkommens-Bier neben dem staubigen Gefährt ist nicht nur eine Frage des Stils. Es ist pure Notwendigkeit.

Notwendig waren natürlich auch diverse Reparaturen am 1992er Syncro, der mit seinen 70 PS nicht unbedingt übermotorisiert war – zwischenzeitlich waren es auch mal 20 weniger, bis ein gebrauchter Ersatz-Turbo aus der alten Heimat organisiert werden konnte. Doch auch mit 50 Pferden machte die rollende Schrankwand ihren Weg, so dass das Trio es tatsächlich bis ans Kap schaffte. Trotz missglückter Flussdurchfahrten, eines brennenden Motors oder hunderter Kilometer am Abschleppseil hinter einem Land Cruiser übrigens. „Abenteuer? Klar – aber doch nicht gleich so“, wird übrigens auch im gleichnamigen Film verkündet, der die Reise zumindest teilweise begleitet.

Das Buch jedoch erzählt noch viel, viel mehr als der Film – und bunte Bildchen herrlicher Landschaften gibt es natürlich auch auf den 223 Seiten zu den 123 Tagen und 19.309 Kilometern bis ans andere Ende der Welt. Entsprechend unterhaltsam geriet das handlich Buch, das jedoch schon beim ersten Anblättern einen heftigen Sog zu entwickeln vermag.

Man sollte es also tunlichst vermeiden, am Abend vor einem wichtigen Termin „nur mal eben ein paar Seiten“ lesen zu wollen. Denn unweigerlich wird man „Vom Kiez bis zum Kap“ so schnell nicht weglegen. (Glaubt mir, Leute – ich weiß, wovon ich rede.)

Allerdings kann es auch passieren, dass man die zentrale Botschaft der beiden Hamburger Jungs verinnerlicht – und einfach auf den Termin pfeift. Denn vor allem eine Sache haben Bernd und Kay gelernt: Gelassenheit nämlich.

Andererseits: Die ganze Sache begann ja auch in einer gelassenen Runde. Insofern eine runde Sache …


Bernd Volkens, Kay Amtenbrink: Vom Kiez zum Kap. Mit unserem Bulli durch Afrika. Verlag Delius Klasing 2015, flexibel gebunden, 223 Seiten, 120 Farbfotos, Format 15,9 x 23,1 cm, ISBN 978-3-667-10314-7, 22,90 Euro.

Heiko P. Wacker