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Buchtipp: Im Bulli auf dem Hippie-Trail

Der legendäre Hippietrail, über Griechenland, die Türkei, den Iran, Afghanistan bis nach Nepal oder Indien, insbesondere Goa, existierte wirklich, nicht nur in Erzählungen. Jürgen Schultz aus Memmingen ist ihn gefahren, aber nicht einfach nur gefahren - und Jürgen ist auch nicht einer aus Hunderten. Jürgen ist jemand, dessen Geschichte es wert ist, erzählt zu werden. Und deshalb hat Autor Heiko P. Wacker aus diesen Geschichten ein Buch geschrieben.

 ©Delius Klasing

Schaltet man heutzutage die Nachrichten im TV ein, dann kann einem Angst und Bange werden. Nirgends ist man sicher, nirgendwohin kann man noch in den Urlaub fahren. So zumindest wird es einem durch die globalen Schreckensmeldungen immer wieder suggeriert.

Umso unwahrscheinlicher kommt einem da die Zeit der 60er und 70er-Jahre vor, in derReisen mit Bulli, Fahrrad oder Moped in den nahen Osten oder nach Afrika auch ohne großartige Planung gewagt wurden. Schlüssel umdrehen und los, der Rest ergibt sich

Kennengelernt haben sich Autor und Protagonist durch Jürgens Bulli. Ein T1 von 1956, der heute noch weitestgehend im damaligen Zustand im Erwin Hymer Museum in Bad Waldsee zu besichtigen ist. Anfangs war die Überlegung, eine kurze Reportage über den Bus, von dem Heiko durch Erzählungen erfuhr und ihn selbst im Museum besichtigen wollte, in der Käfer Revue zu veröffentlichen, doch das sah sein Besitzer nicht wirklich ein – es wäre ja O-Ton „bloß so a alter Bus“.

Viel Überzeugungsarbeit von Heiko war notwendig, viele Gespräche wurden geführt, und heute sind die Beiden nach dem ein oder anderen gemeinsamen Bierchen per Du. Die Quintessenz dieser Gespräche und Besuche, wie Heiko schreibt, ist das Buch „Im Bulli auf dem Hippetrail“.

Auf insgesamt 192 Seiten mit unzähligen originalen Fotografien, aktuellen Bildern, Dokumenten und Erinnerungsschnipseln taucht der Leser ein in die Zeit von vor 50 Jahren. Mittendrin statt nur dabei.

Dass der Polizeichef von Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, zum Beispiel seine Tochter gegen den T1 tauschen wollte, ist in Heikos Buch nur beiläufig unter einem der Urlaubsschnappschüsse zu erfahren.

Denn Jürgens bewegtes Leben birgt eine Fülle von Anekdoten, die gut auf alle Seiten des Buchs verteilt werden wollen.

Jürgen hat die Tour insgesamt zweimal in einem Bulli hinter sich gebracht und war auch sonst ein weitgereister Mensch. Arbeiten in einem Stahlwerk in Südafrika, Bundeswehrdienst auf Sardinien, Teileverkäufer bei VW in Paris. Er ist herumgekommen, und Heiko lässt den Leser an all diesen Erinnerungen sehr lebhaft teilhaben. Manchmal wünscht man sich Jürgen direkt herbei, um ihn selbst erzählen zu lassen.

"Im Bulli auf dem Hippietrail" ist genau der richtige Schmöker für die kommenden, kalten Wintertage, um Einzutauchen in eine leider so heute nicht mehr existierende Welt voller Abenteuer, Sorglosigkeit und romantischen Sonnenuntergängen an fernen Stränden. Oder trauen wir uns heute einfach nicht mehr? Das Buch ist auf jeden Fall eine klasse Alternative, und die ursprünglich geplante T1-Reportage in der "Käfer-Revue" ist zudem auch damals noch erschienen.

"Im Bulli auf dem Hippie-Trail – Die Abenteuer des Herrn Schultz" ist erschienen im Delius Klasing Verlag und zum Beispiel hier erhältlich für 22,90 Euro erhältlich.

von Patrick Kühl