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Versicherungen wollen vorsichtige Fahrer belohnen

Wer vorsichtig fährt, zahlt weniger Versicherungsbeitrag. Das steckt hinter dem Begriff Telematiktarife. Die meisten Autofahrer interessieren sich aber noch nicht so sehr für diesen Ansatz.

 ©Goslar Institut

Wer sicher fährt, spart. Das ist knapp zusammengefasst die Systematik der sogenannten Telematiktarife. Sie funktionieren nach dem Prinzip „Pay as you drive“, d.h. jeder Autofahrer kann die Prämie seiner Kfz-Versicherung durch sein persönliches Fahrverhalten selbst beeinflussen: Wer besonnen unterwegs ist, bekommt von seinem Kfz-Versicherer Beitragsnachlässe eingeräumt. Am Rande des 58. Verkehrsgerichtstags vom 28. bis 31 Januar in Goslar werden Experten am 30. Januar alle Aspekte rund um die neuen Tarife diskutieren.

Telematiktarife müssten eigentlich den Nerv der Mehrheit aller Autofahrer treffen, da sie unterm Strich für jeden einzelnen Versicherungsnehmer gerechter sind. Doch so richtig überzeugt scheinen die Autofahrer gerade in Deutschland von dem relativ neuen Versicherungsangebot nicht zu sein. Denn bislang sollen sich – offiziellen Angaben zufolge – erst rund 300.000 der insgesamt 47 Millionen Pkw-Halter hierzulande dazu durchgerungen haben, sich einen sicheren Fahrstil von ihrer Kfz-Versicherung rabattieren zu lassen.

Dennoch erwartet die Branche, dass sich die Autofahrer mit der Zeit den Vorteilen von Telematiktarifen nicht verschließen werden. So geht etwa HUK-Coburg-Vorstand Dr. Jörg Rheinländer davon aus, dass bei Telematik in den nächsten sieben bis acht Jahren eine Marktdurchdringung von 25 Prozent möglich ist.

Grund genug, sich bei der aktuellen Diskussionsveranstaltung des Goslar Instituts erneut dem Thema Telematik zu widmen. Bei diesem Goslar Diskurs werden Fachleute aus Versicherungswirtschaft und Versicherungslehre mit Experten für den Daten- und Verbraucherschutz sowie für die Automobilwirtschaft Aspekte der Telematik als „digitalen Schritt in der individuellen Risikobewertung der Kfz-Versicherung“ erörtern.

Beim vorangegangenen Goslar Diskurs waren die Disputanten das Thema Telematik noch speziell unter dem Blickwinkel von zum Teil diffusen Bürgerängsten vor „Big Data“ und „Big Brother“ angegangen. Grundlage dabei bildete eine aktuelle Studie des Goslars Instituts mit dem Titel „Die Big-Data-Debatte“. Nun also Telematik als Aufbruch in die individuelle Risikobewertung bei Kfz-Versicherungen.

Hier eröffnen Telematik-Tarife nicht nur aus Sicht der HUK-Coburg die Möglichkeit, defensives, vorausschauendes und sicheres Fahren zu belohnen. Doch nicht nur jeder einzelne Versicherungskunde kann von diesem Modell finanziell profitieren – es sei auch in der Lage, einen positiven Anreiz zu geben, um Kfz-Versicherungskunden zu einem besseren Fahren zu bewegen, die Umwelt zu entlasten und die Zahl von Unfällen zu reduzieren, argumentiert Rheinländer stellvertretend für viele Experten und andere Anbieter. Somit käme Telematik ein wichtiger gesellschaftlicher Nutzen zu, stellt er fest.

Wichtig ist Rheinländer in dem Zusammenhang die Feststellung, dass die Versicherung mit den Telematiktarifen keinesfalls unbesonnene Fahrer bestrafen, sprich mit einem Malus belegen will. Vielmehr sollen die besseren Fahrer belohnt werden. Zunächst hatte sich der Versicherer mit seinem Tarif „Smart Driver“ speziell an junge Fahrer gewandt und immerhin bis September 2019 bereits rund 80.000 Kunden für Telematikverträge gewinnen können. Seit April 2019 hat Deutschlands größter Kfz-Versicherer mit dem Tarif „Telematik Plus“ nun auch eine solche Police für alle Autofahrer am Markt und davon nach eigenen Angaben schon rund 90.000 Kunden überzeugt.

Bis zu 30 Prozent sollen Telematik-Kunden mit diesem Tarif sparen können. Dafür werden im Gegenzug die Fahrdaten des Kunden erhoben, und zwar völlig transparent, wie die HUK-Coburg hervorhebt. Nur das Fahrverhalten werde registriert, stellt Rheinländer fest. Soziodemografische Faktoren wie Alter, Einkommen oder Beruf haben demnach keinen Einfluss auf die Bewertung der jeweiligen Fahrweise des einzelnen Kunden. Insofern behandele Telematik „jeden Menschen gleich“.

Zudem sei der Telematik-Score die diskriminierungsfreieste Tarifierungsweise, die man sich vorstellen könne, betont Rheinländer. Auch Vorwürfe wegen mangelnder Transparenz weist das Versicherungsunternehmen zurück, da in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen alles verständlich dargestellt sei und die Kunden darüber hinaus laufend ein individuelles Feedback in ihrer persönlichen App erhalten würden.

Demnach soll auch jeder Kunde darüber informiert sein, welche Kriterien darüber entscheiden, ob er als vorsichtiger Fahrer eingestuft und entsprechend „belohnt“ wird oder nicht. Diese Faktoren können je nach Versicherer unterschiedlich gewichtet werden. In der Regel kann jedoch mit einer positiven Bewertung rechnen, wer ausreichend Abstand hält und die Geschwindigkeitsbegrenzungen beachtet. Auch die Daten zum Beschleunigungs-, Brems- und Lenkverhalten lassen Rückschlüsse auf die Fahrweise zu. Ferner werden die Tageszeiten berücksichtigt, zu denen der Telematik-Versicherte unterwegs ist, weil etwa Fahrten im Berufsverkehr oder nachts mit einem höheren Unfallrisiko verbunden sind. Fahrzeiten werden ebenso registriert, da müde Fahrer gleichfalls eher unfallgefährdet sind.

Dazu merkt die HUK-Coburg an, dass Nachtfahrten oder auch Fahrten in Ballungsgebieten in dem Telematik Plus Tarif des Unternehmens nicht grundsätzlich ungünstiger behandelt werden als andere Fahrten. Vielmehr komme es immer auf die Kombination von Ort und Zeit mit dem jeweiligen Fahrverhalten an, Wer immer angepasst an die Verkehrssituation und die Sichtverhältnisse unterwegs ist, kann auch bei vielen Nacht- bzw. Stadtfahrten eine optimale Bewertung erhalten. Unterm Strich läuft Telematik also tatsächlich auf die simple Formel hinaus „Pay as you drive“.

ampnet/Sm